Die erste Rezension zu “Alice Through the Looking Glass”

Lesedauer ca. 3 Minuten

Die Disney Company und die Geschichten über “Alice im Wunderland” haben eine lange gemeinsame Historie: Sie beginnt im Jahre 1922 als Walt Disneys damaliges Trickfilmstudio in Kansas City, Missouri, gerade den Bach runterging und er dringend eine Idee für einen Film brauchte, der ihn vor dem Ruin bewahren könnte. Es war vermutlich eher der technische Kniff, reale Schauspieler in animierten Welten zu zeigen, als Lewis Carrols “Alice”-Bücher selbst, die ihn dazu inspirierten, die “Alice-in-Cartoonland”-Reihe zu starten. Mehr als die Grundindee und den Namen der Titelheldin (dargestellt von Virgina Davis) hatte sie schließlich nicht mit den viktorianischen Klassikern gemein. Die Serie wurde jedoch ein Hit und legte den Grundstein für den beispiellosen Erfolg des Disney-Studios.

Ein Vierteljahrhundert später wagte sich Disney dann an eine vorlagengetreuere Adaption des Stoffes. 1951 erschien “Alice im Wunderland” als farbenprächtiger Zeichentrickfilm, der jedoch einer der größten Flops des Studios wurde und daher als Erster aus Reihe der “Meisterwerke” von Disney persönlich dazu freigegeben wurde, im Fernsehen “verramscht” zu werden (In den USA, wie auch in Deutschland). Erst Jahre später konnte er bei einem psychedelisch inspiriertem Hippie-Publikum sein Publikum finden (man beachte entsprechende Filmplakate der Wiederaufführungen aus dieser Zeit).

Trotzdem wurde dieser Film 2010 als Erster in einer inzwischen nicht mehr enden wollenden Folge von “Live-Action-Remakes” von Star-Regisseur Tim Burton verfilmt. Leider wurde die bewusst konfuse Vorlage hier für die kommerzielle Verwertung “zurechtgeglättet”, sodass aus der losen Folge von merkwürdigen Begegnungen, die das kleine Mädchen Alice in den Original-Büchern erlebt, ein Standard-Fantasyabenteuer mit traditionellem Spannungsbogen und einer post-adoleszenten Hauptdarstellerin wurde. Die allerdings sogar Mühe hatte, sich neben dem omipräsenten Johnny Depp als Verrücktem Hutmacher überhaupt noch als Hauptrolle zu gerieren.

Obwohl ich Carrols Kinderbücher bisher leider noch nicht gelesen habe, lässt sich aus dieser Einleitung heraus schon erkennen, mit welcher Erwartungshaltung ich also in die Fortsetzung “Alice through the looking glass” gegangen bin. Ich mochte das Episodenhafte des Zeichentrickfilms und war von der stringenten Handlung und der gealterten Titelfigur in Burtons Version wenig angetan. Von daher waren meine Erwartungen entsprechend niedrig und es konnte also nur besser werden.

In diesem Film treffen wir nun Alice (Mia Wasikowska) als erfolgreiche Schiffskapitänin, deren weitere Zukunft auf See ausgerechnet von ihrem einst verschmähten Fast-Ehemann Hamish Ascot abhängt. Auch hier wieder flüchtet sie aus Furcht vor den Problemen aus der realen Welt in das “Wunderland”, wo sie sogleich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert wird: Ihr alter Freund, der Verrückte Hutmacher (Depp) droht an seinem Gram zu ertrinken und kann offenbar nur davon geheilt werden, wenn er seine Familie wieder sieht – doch die ist tot. Alice sieht nun die einzige Lösung darin, in der Zeit zurück zu reisen, um deren Tod zu verhindern. Doch dazu benötigt sie die “chronosphere” (Ich hab den Film im Original gesehen; keine Ahnung wie das übersetzt wird), eine Art magisches Elixier, das für den Verlauf der Zeit verantwortlich ist. Diese wird allerdings bewacht von niemand geringerem als der Zeit selbst, einem diebischen Wesen (Sacha Baron Cohen), das halb Mensch, halb Uhrwerk ist. Als ob es damit noch nicht genug wäre, ist auch noch ihre alte Kontrahentin, die Herz-Königin (Helena Bonham Carter) scharf darauf, sich die “chronosphere” zu eigen zu machen. Ein atemberaubender Wettlauf beginnt…

Die Autorin Linda Woolverton hat sich erst gar nicht die Mühe gemacht, die bekannten Figuren aus dem ersten Film wieder irgendwie einzuführen; sie sind bei Alices Ankunft im Wunderland einfach alle auf einmal wieder da. Ohnehin spielen sie auch keine große Rolle in diesem Film, der sich hauptsächlich damit beschäftigt, den Werdegang des Verrückten Hutmachers zu rekonstruieren. Auch hier bekommen wir wieder eine klassische Story mit vorhersehbarer Spannungskurve zu sehen. Sofern man sich also darauf, wie auch auf die in jeder Hinsicht platte Rahmenhandlung, einlassen kann, lässt sich hier ein Film entdecken, der doch zumindest mit einigen guten Ideen und ein paar lustigen Zitaten aus den Büchern aufwarten kann. Beleuchtet werden auch die Vorgeschichte der beiden Königinnen und Alices (zeitlich gesehen) frühere Begegnungen mit den Wunderland-Figuren, die eine alternative Lesart der Rückbezüge aus dem ersten Film eröffnen. Als einzige neue Figur erhält allein die Zeit, zusammen mit ein paar seiner kleinen mechanischen Helferlein, einen größeren Raum in dieser Fortsetzung.

Tim Burton fungierte bei diesem Film überraschenderweise “nur” als Produzent. Regisseur James Bobin hat allerdings bereits 2011 mit den “Muppets” bewiesen, dass er ein Händchen dafür hat, Alt-Bekanntes wieder auf Kurs zu bringen. So bietet dieser Film neben der üblichen Effekthascherei (für die übrigens Sony Animation bemüht werden musste), ein paar kluge Gedanken zum Thema “Zeit”, die allerdings höchst ungelenk platziert wurden. Statt dem Regisseur, wäre es meines Erachtens besser gewesen, die Drehbuchautorin auszutauschen. Burtons Design wurde übernommen und speziell in Gestalt des alternden Hutmachern fantasiereich fortgeführt. Den Titel des zweiten Buches hat dieser Film allerdings mangels inhaltllicher Bezüge nicht verdient. So heißt denn auch die deutsche Version konsequenter “Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln”. Und hier schließt sich auch wieder der Kreis: Erneut lässt Disney eine Alice in animierte Welten schlüpfen, nur enstammen diese im Gegensatz zu 1922 inzwischen aus dem Computer. Und genauso wie damals gibt es außer dem Titel auch nichts was Buch und Film verbindet. Gemessen am Vergleich der Einspielergebnisse der Adaptionen von 1951 und 2010, ist diese Herangehensweise jedoch die richtigere Variante.

“Alice through the looking glass” ist ab 26. Mai in 3D in den deutschen Kinos zu sehen.

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